Scheibenbremsumbau Hinterachse - Foto Story Doku

  • Moin Liebe Leute!


    Da ich im Rahmen meiner HU Vorbereitung die Hinterachse fit machen wollte, habe ich direkt dabei bei meinem Typ89 auf Scheibenbremsen umgerüstet, da die Gelegenheit günstig war. Ich habe dabei mal ein paar Pics beim Ablauf der Arbeiten gemacht, um einfach mal Usern, die entsprechendes eventuell planen, visuell zeigen zu können, wie das ganze so vonstatten geht.


    Vorab noch ein paar persönliche Anmerkungen:
    Eigentlich ist der Umbau der Hinterachse von Trommel- auf Scheibenbremsen total sinnfrei. Denn die alte Wolfsburger Trommelbremse als ein Stück klassischen Maschinenbaus ist über viele Jahre hinweg so wartungsfrei, wie kaum ein andere Bremse. Die Beläge halten ewig, die Handbremsmechanik ebenso, namenhafte Radbremszylinder halten auch sehr viele Jahre dicht, und nur sehr selten bzw. nach vielen Jahrzenten und abertausenden Kilometern kommt es vielleicht mal zu Undichtig-, oder Schwergängigkeiten. Auch verzeiht diese genügsame Bremse ständiges zu zaghaftes Bremsen oder viel Kurzstrecke, wohingegen die Scheibe der mimosenhaften Scheibenbremse hinten, mangels Temperatur, schon wieder verrostet wäre.


    Die Trommel ist also wirklich was für Leute, die nicht unbedingt jeden Monat ihr Auto auf der Bühne akribisch durchgucken oder überdurchschnittlich häufig warten. Die Scheibe hingegen ist eher was für Leute, die sehr oft alles am Auto kontrollieren und instand halten und eben auch immer mal die Scheibenbremse pflegen und gängig halten.


    Man merkt schon, eigentlich bin ich Fan der Trommelbremse. Nichts desto trotz mag ich die Optik der Scheibenbremse hinter Alufelgen. Und da ich als Mechaniker (wenn auch Toyota) von Natur aus entsprechend Technik affin bin, gefällt mir der „Auftritt“ von Scheibenbremsen einfach.


    Soviel nur mal zu meiner „Beziehung“ zu Trommel- und Scheibenbremsen.


    Nun mal zum eigentlichen Umbau.


    Man benötigt erstmal den Hinterachskörper von einem 80er mit Scheibenbremsen, da meiner
    keine Aufnahmevorrichtung für den Sattelhalter besitzt.
    Also besorgte ich mir eine komplette HA mitsamt Girling 38 Bremsanlage, Radnaben, Achszapfen.
    Ich habe sie recht günstig bekommen, da sie, wie man sieht, prinzipiell nach „Kernschrott“ aussah,
    was ich auch so bei den Preisverhandlungen begründete. Natürlich mit dem Hintergedanken, das sowieso alles komplett aufbereitet wird.


    Hier mal Pics der besorgten Hinterachse, nach der Abholung:









    Ich strippte sie erstmal in ihre Einzelteile:


    Wer schonmal versucht hat, die 30 Jahre alten M8 Bolzen des Achszapfens, die sich an einem der am meisten von den Umwelteinflüssen belasteten Bereiche des Autos im Spritzbereich des Radlaufs befinden, im Ganzen aus dem Achsschenkel zu holen, weiß, das dort gewisse Vorarbeiten von Nöten sind, bei denen man Geduld walten lassen sollte, um einem Abreissen vorzubeugen. Durch das gezielte Einbringen von Hitze, Vibrationen und Schmiermittel sowie behutsamer Vorgehensweise unter Nutzung von guten Werkzeugen sind tatsächlich alle 12 Schrauben ohne Abreissen, Gewindeschäden oder rundgelutschte Innensechskantantriebe herausgekommen:




    Die Achszapfen sahen nach leichten Reinigungsarbeiten mit Schleifvlies noch super aus. Kaum Trag-, Einlaufspuren oder gar Hitzespots:


    Auspressen der alten, 30 Jahre alten Hinterachsbuchsen:


    Die Hinterachse kam nun in unsere Strahlkabine, in der ich sie saubergestrahlt habe (da zwischen dem Strahlen und der Weiterarbeit etwas Zeit lag, hab ich sie mit einem sehr leichten, temporären Korrosionsschutz versehen, da sie sonst innerhalb von Stunden anfängt, Rost anzusetzen):



    Dann ging es weiter mit dem Aufbau des Korrosionsschutzes.
    Da wir in solchen Angelegenheiten mit der Firma KSD (Korrosionsschutzdepot) zusammenarbeiten, haben wir uns für den Standardaufbau nach mechanischer Entrostung ohne dem Verbleib von Restrost oder Porenrost entschieden. Der Aufbau umfasst 3 Schichten KSD Ovagrundol, einem Chlor Kautschuk Unterwasserprimer. Darüber dann 2 Schichten KSD Chassislack O.H. Da zwischen den einzelnen Schichten mehrere Tage an Zwischentrocknungszeiten eingehalten werden müssen, dauert das jetzt etwas länger. Ca. 2 Wochen. Aber dafür ist dieser Aufbau EXTREM widerstandsfähig.


    Während des Auftragens des Ovagrundol Chlor Kautschuk Unterwasserprimers:




    Der erste Anstrich mit dem Chassislack O.H.:


    Nach der Fertigstellung:





    Derweil habe ich schonmal die alten Lager aus den Radnaben gepresst (Natürlich ist das auch ohne Presse möglich, ich bin aber der Meinung, dass ich den ganzen Vorgang mit der Presse besser kontrollieren kann, als wenn ich sie mit dem Hammer ein- bzw. austreibe):




    Ich habe die Radnaben ebenfalls gestrahlt und auch mit dem Korrosionsschutzaufbau behandelt.
    Ich wollte hier erwähnen, dass man sowas an rotierenden Bauteilen an Fahrzeugen eigentlich nicht macht, da man nie einen gleichmäßigen Lackauftrag hinbekommt, was zu Unwuchten führen kann:



    Hier das einpressen der neuen Lager:


    Einpressen der neuen Hinterachsbuchsen (Einbaulage beachten – Aussparungen des Gummis in Waage):


    Während der Trocknung der Achsteile bin ich unterdessen an die Aufbereitung der Bremssättel gegangen. Das führe ich jetzt mal nicht im Detail aus, das würde dann echt den Rahmen sprengen.
    Daher hier nur ein paar Pics vom ursprünglichen Zustand und nach der Aufbereitung samt Galvanisierung:






    Nachdem dann alles durchgetrocknet war und alle Teile zum Erneuern der Hinterachse geliefert wurden, ging es an den Umbau am Fahrzeug.


    Hier mal eine Übersicht des ganzen Krams, das rein soll:





    Und meine kleine Einkaufsliste:


    Original Audi Hinterachsbuchsen 2x
    811 511 247


    Radlagersatz 2x
    FAG 713 6102 40
    bestehend aus


    Innenlager 29x50 29x14,73
    311 405 625 N / F


    Aussenlager 19,05x45,237
    443 505 509, neu 211 405 645 D


    Bremsbelagsatz 78x16,6
    443 698 451 C
    ATE 24011001781


    Bremsscheibe 245mm 2x
    443 615 601
    ATE


    Original Audi Deckblech Links
    443 615 611 B


    Original Audi Deckblech Rechts
    443 615 612 B


    Original Audi Handbremshaken
    437 711 397


    Stossdämpfer HA 2x
    893 513 031 AG
    Sachs 105782


    Fahrwerksfedern 2x
    893 511 115 A
    Kayaba RA5008


    Original Audi taubkappen Stossdämpfer 2x
    893 512 137


    Anschlagpuffer Stossdämpfer Satz
    893 512 131
    Febi 10027


    Führungsbuchsensatz Bremssattel HA
    8E0 698 470 B (443 615 425 B)
    TRW SP8986


    Bremsleitung F-gebördelt 4,75x0,17
    2x 300mm


    Bremsschläuche Links
    von Leitung zur Leitung 200mm
    811 611 775
    ATE 83622402003


    von Leitung zum Sattel 160mm
    893 611 775 A
    ATE 24517001613


    Bremsschläuche rechts
    von Leitung zur Leitung 150mm
    811 611 775 A
    ATE 83780401503


    von Leitung zum Sattel 160mm
    893 611 775 A
    ATE 24517001613


    Handbremsseil Links 1400mm 1x
    893 609 721 F
    ATE 24372701432


    Handbremsseil Rechts 1357mm 1x
    893 609 722 F
    ATE 24372701442


    Halter Bremsleitungen
    803 611 715 2x
    4D0 611 715 B 2x


    Muttern und Schrauben
    N 906 350 01 Mutter Panhardstab 2x
    N 900 613 02 Schraube Hinterachsbuchse 2x
    N 906 350 01 Mutter Hinterachsbuchse 2x
    N 021 195 5 Mutter Federbein 2x
    N 904 154 04 Schraube Achszapfen 12x
    N 019 912 3 Schraube Bremssattelhalter 4x
    N 011 531 7 Unterlegscheibe HA Buchsen 2x
    N 022 148 12 Mutter Handbremshebelhaken 1x

  • Lets go. Demontage des mittleren Hitzeschutzblechs, um an den Handbremshaken zu kommen, um die Handbremsseile aushängen zu können, die gegen die von der Scheibenbremsversion getauscht werden. Ebenso wird der Haken auch gegen den der Scheibenbremsversion getauscht, der einen etwas anderen Winkel aufweist:



    Trennen der beiden Bremsleitungen am Übergang Schlauch zum Leitungssystem am Fahrzeug:



    Demontage des Panhardstabes:


    Aushängen der Feder des Bremskraftreglers:


    Schrauben der beiden Hinterachsbuchsen lösen:


    Federbein lösen (Wenn man die Federbeine erneuern möchte, kann man hier der Einfachheit halber auch erst oben am Federbeindom im Kofferraum die Mutter der Kolbenstange lösen, solange des Fahrzeug noch auf dem Boden steht und die Feder zusammengepresst ist, man muss dann entsprechend sehen, wie man vorgehen möchte zwecks Abstützung der Hinterachse etc. – aus organisatorischen Gründen musste ich die Federbeine hängen lassen und sie später herausnehmen):


    Jetzt kann auch schon die Hinterachse, komplett mit der Bremse abgesenkt und Beiseite gelegt werden:




    Lösen der Mutter der Kolbenstange des Federbeins im Kofferraum. Hierbei je nach Vorgehensweise immer bedenken, dass auch der Einsatz eines Federspanners nötig werden kann. Eben je nach dem, nach welcher Methode man vorgeht (ohne Hinterachse, mit Hinterachse, Hinterachse abgestützt, Fahrzeug hängend, Fahrzeug auf dem Boden, etc.):


    Die alten Federbeine:


    Die neuen Federbeine:


    Die neue Hinterachse wurde ebenfalls schon eingehängt. Natürlich dürfen die Schrauben nicht in dieser Lage, hängend, festgezogen werden. Sonst verdrehen sich beim abbocken des Autos sämtliche Gummibuchsen:



    Montage des neuen Schutzblechs und des Achszapfens:


    Montage der Radnabe und provisorisches anziehen des Radlagers:


    Montage des Sattelhalters und der Beläge, sowie der Scheibe:


    Montage des Bremssattels und einhängen der BKR Feder:



    Konfektionieren und bördeln der neuen Bremsleitung (hier mal die alten Bremsleitungen),
    da die Maße der alten Leitung der Trommeln ja nicht mehr passen. Denn die Scheibenbremse besitzt pro Seite zwei Schläuche, die Trommelbremse nur einen Schlauch:


    Neu konfektionierte Bremsleitung und die montierten Bremsschläuche mit montiertem Panhardstab.
    Hier ist auch bereits das Rad wieder montiert und das Radlagerspiel entsprechend den Vorgaben eingestellt:


    Einhängen der Bremsseile am Handbremshebel vorne und hinten am Sattel. Vorne nun mit dem anderen Handbremshaken:




    Soweit ist nun erstmal alles fertig montiert. Die Einstellung der Handbremse erfolgte nach Vorgabe des Reparaturleitfadens für den Audi 80 mit Scheibenbremsen hinten.





    Thema Bremskraftregler und Thematik Bremskraftverteilung beim Umbau von Trommel- auf Scheibenbremsen.
    Man muss natürlich immer die Bremskraftverteilung im Auge behalten. Immerhin haben wir hinten nun ein ganz anderes Bremssystem. Soweit ich recherchiert habe, basierend auf Daten des ETKAs, des ELSA und der verschiedensten Reparaturleitfäden, sowie auch live an den Fahrzeugen selber, habe ich in den Bauteilen der Typ89 4-Zyl mit Trommelbremsen und der Typ89 4-Zyl mit Scheibenbremsen, gleichen Baujahres, ohne ABS, KEINE Unterschiede feststellen können.
    Sprich sowohl der Hauptbremszylinder, als auch der Bremskraftregler samt Feder und sogar der Bremskraftverstärker, sind identisch mit all seinen Daten, Kenngrössen und Teilenummern. Zwischen den beiden Ausführungen existiert auch kein separates Reduktionsventil oder ähnliches Bauteil, das externen Einfluss auf die Verteilung haben könnte. Auch die Gewichte der Fahrzeuge unterscheiden sich nur marginal. Insofern bleibt als treibende Grösse nur die Einstellung des BKRs über die Verstellmutter des Halters. Diese Einstellung unterscheidet sich nämlich beim Typ89 zwischen Scheibenbrems- und Trommelausführung in der Tat.


    Daher habe ich die Einstellung des BKRs nach dem Reparaturleitfaden für den Typ89 mit Scheibenbremsausführung durchgeführt.


    Nachdem die Bremse einige hundert Kilometer sachte und normal eingefahren wurde, wurde anschließend im Beisein unseres Prüfingenieurs (Vorteil wenn man in einer Werkstatt arbeitet, seine Stammprüfer kennt und mit denen per Du ist), eine Fahrdynamikprüfung auf der ortsansässigen Übungsanlage bei höheren Geschwindigkeiten und unterschiedlichen Beladungszuständen durchgeführt, um negative Auswirkungen einer möglichen Überbremsung der Hinterachse aufzuspüren. Der Wagen blieb in allen Manövern, gemessen an der Technik der 80er Jahre, völlig stabil und beherrschbar. Bauartbedingte Übersteuertendenzen konnten ohne grössere Probleme ausgeglichen werden. Der Prüfingenieur hatte also keine Einwände.


    Die Routinekontrolle auf dem Bremsenprüfstand zwecks Kontrolle der Einstellung der Handbremse und der Gleichmäßigkeit der Betriebsbremsen waren ebenfalls unauffällig.


    Ich kann also für mich persönlich sagen, dass ich mit dem Umbau, technisch wie optisch, zufrieden bin.


    Ich habe den Wagen heute auch direkt zur HU vorgeführt und natüüüürlich, VAG standesgemäß, routinemäßig ohne Mängel und Hinweise die Plakette erhalten:


    P.S. Dieser Umbau müsste selbstverständlich korrekterweise abgenommen werden, da es indiskutabel eine wesentliche Veränderung der Bauart des Fahrzeuges vom ursprünglichen Auslieferungszustand darstellt, dazu noch im kritischen, sicherheitsrelevanten Verwendungsbereich. Dieser Umbau müsste also in jedem Fall begutachtet werden, da man natürlich nicht einfach nach Lust und Laune mal eben andere Bremssysteme verbauen kann, die im Fall der Fälle bei Nichtbeachtung der Umrüstung und Festigkeit aller Komponenten, das Fahr- und Bremsverhalten gefährlich beeinflussen können.


    Ich hoffe, ich konnte euch mal einen kleinen Überblick über diesen Umbau geben.


    Grüße
    Ben

  • Hallo Ben,
    ich habe mich extra angemeldet, weil ich gesehen habe, dass Du den kompletten Umbau doch gemacht hast. Du hattest ja das ganze Set mal zum Verkauf angeboten. Ich hatte erst überlegt es zu kaufen, hab mich aber nicht so richtig rangetraut.
    Hab jetzt aber doch Lust drauf bekommen und ärger mich, das ichs nich gekauft habe. Argh.


    Da ich aus Hannover komme und es nicht weit zu dir ist, wollt ich mal fragen, ob ich mal vorbeikommen kann um mir das anzuschauen und ob du mir dann mal tipps geben kannst, wo ich was alles herbekommen kann.


    Wäre echt sehr nice.
    Chris

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